Geflochtene Zäune mit Geschichte

12.10.2010
Gottfried Rumer aus Trins übt ein heute selten gewordenes Handwerk aus: das Zaunflechten. Kunst sei es keine, betont der pensionierte Zimmermann, die Muße dafür müsse man allerdings haben. Maschinen sind verpönt.

Dem lästigen Nieselregen zum Trotz flackert im Garten beim "Mesner" in Trins ein kleines Feuer. Hausherr Karl Vogelsberger hält Fichtenäste ins Feuer. "Verdammt heiß", schimpft er. Doch in leichter Abwandlung eines gängigen Sprichworts könnte man sagen, dass eben leiden müsse, wer einen schönen, weil selten gewordenen Zauntyp an seiner Grundstücksgrenze haben will.

Die im Feuer weich und biegsam gewordenen Äste reicht er Gottfried Rumer. Der pensionierte Zimmermann flicht sie mit geschickten Bewegungen zwischen den Zaunlatten ins vorhandene Flechtwerk ein. Rumer ist einer der wenigen, der noch die Kunst des Zaunflechtens beherrscht und ausübt. "Es ist eigentlich keine Kunst", spielt Rumer seine Fertigkeiten herunter. Wirklich auf Draht sein müsse derjenige, der die Äste "brät", wie es im Fachjargon heißt. Dafür gibt es keine genaue "Garzeit". "Wenn sie schwarz sind, ist es schon zu spät", weiß Rumer, dass die Flechten dann leicht brechen. Das Gleiche ist der Fall, wenn sie zu wenig gebraten wurden. "Der optimale Zeitpunkt ist erreicht, wenn die Nadelstellen weiß werden", sagt Rumer. Früher hätten das meist die älteren, erfahrenen Leute übernommen, während die Jüngeren geflochten hätten. "Der Karl macht das gut, aber es gab auch schon welche, die ich heimschicken musste", lacht er. Mit dem "Braten" und Flechten allein ist es nicht getan. Für einen originalen Zaun müssen auch die Zaunlatten händisch aus einem Lärchenstamm gespalten werden. Eine schweißtreibende Arbeit, wie Gottfried Rumer aus jahrzehntelanger Erfahrung weiß. Dennoch: Maschinen sind in dieser traditionellen Form des Zäunens verpönt. Der Holzspalter würde die Fasern zerschneiden.


Gottfried Rumer, heute 69 Jahre alt, erinnert sich, dass er seinen ersten derartigen Zaun mit 14 Jahren aufgestellt hat. "Ich habe das von meinem Vater gelernt und der wieder von seinem Vater. Das geht fast zurück bis Abraham", scherzt der Zaunflechter, während er wieder einen heißen Ast einflicht. Schließlich habe es früher keinen Draht und keine Nägel gegeben. "Ich habe das immer gern gemacht", erinnert sich der Trinser an die jeweils im Frühjahr wiederkehrende Arbeit. Die Flechtzäune, Schrägezäune und Ringzäune gehören zu den ältesten Zaun- arten. Heute seien sie noch auf Almen und Bergwiesen zu sehen, im Tal sind sie selten geworden.


Im Gewirr von Ästen, das sich über die Zaunlatten spinnt, je länger man Gottfried Rumer bei der Arbeit zusieht, sind deutlich die Arbeitsschritte zu erkennen. Zuerst werden die Zaunlatten mit dickeren Ästen an die Querlatten gebunden. Dünnere verleihen ihnen gegeneinander Steifigkeit. Den Abschluss bildet noch einmal ein dickerer Strang. Die Technik erklärt Rumer mit einer Selbstverständlichkeit, dass einem fast schwindlig wird, und man hofft, dass er sich nicht verzopft. An die 420 Äste gehen für rund 25 Meter Zaun drauf. Die Motivation vieler "Auftraggeber" für Flechtzäune sei die Neugier, erzählt der Trinser. "Viele wundern sich, wie geht das vonstatten, dass man Äste so biegen kann. Wenn ich es erkläre, sagt der eine oder andere, dass er auch einen will." Das Flechtwerk halte an die 15 Jahre und könne leicht erneuert werden. Große Kunst, wiederholt Rumer, sei das Flechten keine. Eine Hand dafür müsse man schon haben - die sei auch früher nicht jedem vergönnt gewesen: "Auch früher hat die Hälfte der Bauern keinen zusammengebracht. Oder der Knecht hat einen schöneren Zaun geflochten als der Bauer."


Rumer ist es ein Anliegen, dass die Tradition nicht verloren geht. "Wenn es ein Junger lernen will, zeige ich es ihm sehr gern."

Quelle: tt.com, Autor: Christoph Mair

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